Es war für uns die schönste und natürlichste Art, nach 22 Monaten auf Reise zu unseren Freunden und Familien zurückzukommen – mit einer kleinen Tochter und unendlich vielen Erinnerungen im Gepäck!
Die erste grosse Hürde war genommen: Wir haben die Grenzkontrollen am Flughafen in Wien passiert und stehen seit zwanzig Monaten das erste Mal wieder auf europäischem Boden! Das saubere, gut organisierte, deutschsprechende Österreich fühlte sich im ersten Moment angenehm vertraut und gleichzeitig sehr fremd an. Aber vor allem waren wir überglücklich, dass wir die letzte Etappe in unserer Geschwindigkeit und per Fahrrad antreten konnten. Zwischenzeitlich haben wir befürchtet, dass Corona es uns verunmöglichen wird, langsam zurückzureisen und uns stattdessen per Flugzeug zurück in die Schweizer Realität katapultiert.
Zum Glück haben es auch unsere Fahrräder rechtzeitig auf dem Postweg nach Wien geschafft. Mit dabei: der Thule Chariot Sport 2, die Limousine für unsere Tochter Lou. Unsere Räder waren bereits erprobte Gesellen und haben uns zuverlässig auf tausenden Kilometern durch Europa, Afrika und Zentralasien begleitet. Aber auf den Thule waren wir sehr gespannt, haben wir doch lange hin und her diskutiert, für welches Modell wir uns entscheiden sollen. Wichtig war uns, dass der Anhänger sicher und robust ist, eine gute Federung hat und unsere damals acht Monate alte Lou mehrere Stunden täglich bequem darin sitzen und «liegen» kann. Zusätzlich wollten wir den Anhänger als Kinderwagen nutzen und auch sonst grosszügig beladen können.
Einfach mal loslegen
Die Wahl fiel schliesslich auf den Anhänger von Thule, nicht zuletzt wegen der optischen Erscheinung. So viel vorneweg: Wir drei waren und sind sehr zufrieden mit unserer Entscheidung. Unsere grösste Ungewissheit war, wie gut es Lou im Anhänger gefallen würde: Müssen wir jede halbe Stunde eine Pause einlegen? Schläft Lou überhaupt unterwegs? Wie viele Kilometer schaffen wir an einem durchschnittlichen Tag und wie lange mag Lou im Thule sein? Wir haben gehört, dass 95 Prozent aller Kinder gerne im Fahrradanhänger reisen und die meiste Zeit schlafen. Doch das brachte die nächste Frage auf: Wie werden unsere Abende aussehen, wenn wir fix und fertig von einem langen Tag im Sattel sind, während unsere Tochter maximal ausgeschlafen und quietschfidel Abendbespassung wünscht? Wir sind das Ganze so angegangen, wie wir es auf unserer Reise schon immer gemacht haben: Einfach mal loslegen, ausprobieren, von Tag zu Tag planen, viel Zeit mit ins Gepäck nehmen und bereit sein, ursprünglich Angedachtes über den Haufen zu werfen.
Lou hat es sich von Tag eins an in ihrem Anhänger gemütlich gemacht!
Und siehe da: Lou hat es sich von Tag eins an in ihrem Anhänger gemütlich gemacht! Wenn sie nicht schlief, schaute sie vergnügt in die Landschaft oder spielte mit ihren paar Spielsachen, die in ihrer Seitentasche verstaut waren. Wir haben schnell einen Tagesrhythmus gefunden, der für uns drei gepasst hat. Konkret hiess das, dass wir mit wenigen Ausnahmen erst pausiert haben, wenn Lou es verlangt hat. So kamen wir gut voran und manchmal wünschten wir uns, Lou würde endlich erwachen und die von uns langersehnte Pause verlangen. In den Pausen war es wichtig, viel mit ihr zu spielen, Bewegung zu ermöglichen, zu essen und zu trinken.
Mussten wir aufgrund nahenden Gewittern oder wartenden Gastgebern aufbrechen, obwohl Lou noch nicht der Ansicht war, genug gespielt zu haben, war Kreativität gefragt. Denn in diesen Situationen hat sie sich steif wie ein Brett gemacht und sich mit Händen und Füssen dagegen gewehrt, in ihren Sitz befördert zu werden. Dann hat jeweils eine gute Ablenkung in Form von einem neu hervorgezauberten Spielzeug, Grimassen von Mama und Papa oder etwas zum Knabbern geholfen. Und sobald wir wieder gerollt sind und es ruckelnd vorwärtsging, war Lou sowieso wieder zufrieden. Durchschnittlich sind wir zwischen fünfzig und sechzig Kilometern pro Tag während rund sieben Stunden geradelt, wovon wir rund drei Stunden pausiert haben. Das war für uns ein guter Kompromiss zwischen «Strecke zurückzulegen», es trotzdem gemütlich zu nehmen und Lou gerecht zu werden.
Perfekte Routenwahl
Unsere Route war für unser Vorhaben perfekt: Von Wien aus sind wir über Graz durch die Südsteiermark nach Slowenien an die Drau. Der Drauradweg führt auf 510 Kilometern vom Fuss der Sextener Dolomiten in Toblach (Italien) über das Osttirol und Kärnten bis an die slowenisch-kroatische Grenze nach Varaždin. Der Radweg ist top ausgeschildert, verläuft höchst selten auf befahrenen Strassen, bietet schöne Rastmöglichkeiten, ist landschaftlich unglaublich vielfältig und gilt als sehr familienfreundlich. Wobei Familienfreundlichkeit je nach Alter der Kinder und / oder Fitness der Eltern östlich von Völkermarkt unserer Ansicht nach ein wenig zu viel versprochen ist, insbesondere, wenn man «in die falsche Richtung» flussaufwärts fährt.
Wir sind auf jeden Fall ordentlich ins Schwitzen geraten und haben einige Familien angetroffen, die am Limit waren. Alternativ gäbe es überall die Möglichkeit, zu lange oder zu anstrengende Etappen mit der Bahn abzukürzen. Noch ein paar Worte zur tollen Landschaft, die uns von Graz nach Toblach begleitet hat: Von der wunderschönen, hügeligen südsteirischen Weinlandschaft kamen wir an die breite Drau in Slowenien. Es mag auch an unserer langen Abwesenheit liegen, aber wir haben es unglaublich genossen, uns langsam den Alpen zu nähern und die Drau zu beobachten, wie sie vom breiten Fluss, zu weiten Stauseen und schliesslich zu einem kleinen Bächlein bei Toblach wird.
Auch die Übernachtungsmöglichkeiten am Drauradweg sind zahlreich und mit warmen Badeseen, hübschen Campings und vielen Spielplätzen sehr kinderfreundlich.
Dazu kommt man an malerischen Städten und hübschen Dörfern vorbei, fährt durch lauschige Wälder und kann sich immer wieder in gemütlichen Buschenschanken stärken. Auch die Übernachtungsmöglichkeiten am Drauradweg sind zahlreich und mit warmen Badeseen, hübschen Campings und vielen Spielplätzen sehr kinderfreundlich. So konnte sich Lou am Abend noch gut austoben und wir haben alle noch vor Mitternacht Schlaf im Zelt gefunden. Angekommen in den wunderschönen Dolomiten ging es durch die toll ausgebauten Südtiroler Radwege über Brixen, Meran und Bozen Richtung Schweiz. Mittlerweile waren wir auch wieder fit wie zu unseren besten Zeiten in Afrika und konnten den Reschen- und den Flüelapass überwinden. Am 21. Juli 2020 sind wir zu Hause in Zürich eingefahren. Es war für uns die schönste und natürlichste Art, nach 675 Tagen auf Reise zu unseren Freunden und Familien zurückzukommen – mit einer kleinen Tochter und unendlich vielen Erinnerungen im Gepäck!
Zu zweit los, zu dritt zurück
Hannah Schneidt und Luca Tremp erfüllten sich mit dieser Reise einen langjährigen Traum: eine grosse (Rad-)reise ohne Enddatum. Am 16. September 2018 radelten die beiden mit ihren schwer beladenen Fahrrädern los. Ihre Route führte sie über 12 000 Radkilometer von Zürich südwärts durch Italien, mit dem Flugzeugnach Südafrika, von dort weiter durch den südöstlichen Teil Afrikas bis nach Daressalam. Von Tansania flogen sie nach Teheran und setzten ihre Reise in Zentralasien fort. Im Sommer 2019 schickten sie ihre Räder von Georgien zurück in die Schweiz und flogen selbst nach Malaysia. Hannah war zu diesem Zeitpunkt bereits im siebten Monat schwanger und die beiden entschieden auf der Reise, ihr Kind in Malaysia zur Welt zu bringen. Ihre Tochter Lou Emma kam im Oktober 2019 in Penang zur Welt. Nach der Babypause reisten sie zu dritt mit dem Rucksack durch Südostasien und wurden von Corona überrascht, als sie in Vietnam waren. Nach dem Lockdown flogen sie von Ho Chi Minh City nach Wien mit dem Ziel, die letzten 1000 Kilometer mit dem Fahrrad als Familie zurück nach Hause zu fahren.