Velofahren und Biertrinken erscheinen auf den ersten Blick nicht als naheliegende Kombination, zumindest aus Schweizer Sicht. Anders in Belgien: Die Belgier sind ebenso begeisterte Velofahrer wie leidenschaftliche Bier-Gourmands und wissen beides hervorragend zu kombinieren. Es gibt zahlreiche Vereine, in denen man gemeinsame Ausfahrten unternimmt und anschliessend zusammen ein Bier geniesst, wie Manu Pauwels erzählt. Er ist Marketingleiter in der Brauerei von Westmalle, die solchen Clubs zuweilen flüssige Unterstützung zukommen lässt.
Westmalle ist eines der Klöster, die noch selber Bier herstellen. Fünf solcher Trappistenklöster gibt es in Belgien. Sie verteilen sich über das ganze Land, weshalb sich eine Velotour durch Belgien bestens mit Besuchen der klösterlichen Brauereien kombinieren lässt.
Strenge Regeln
Wir starten unsere Reise im deutschen Trier und fahren über Luxemburg zu unserer ersten Destination: der Abtei Orval im südöstlichen Zipfel Belgiens. Das Kloster liegt wunderschön zwischen waldigen Hügeln. Wobei es eigentlich drei Klöster sind: vom ersten, das bereits im zwölften Jahrhundert gebaut wurde, sind nur noch Ruinen übrig. Das zweite wurde 1782 fertiggestellt, überlebte allerdings nur elf Jahre, bis es im Nachgang der französischen Revolution zerstört wurde. Im 20. Jahrhundert wurde ein neues Kloster auf dem zerstörten errichtet. Um den Bau zu finanzieren, bauten die Mönche eine Brauerei auf und verkauften Bier. Daneben stellt Orval Käse her, wie übrigens auch andere Trappistenklöster.
Früher brauten die Mönche noch selber, heute wird das Bier in der Regel von nicht-geistlichen Angestellten gebraut, was auch mit dem Rückgang der Zahl der Mönche zu tun hat.
Die Trappisten sind ein besonders strenger Unterorden der Zisterzienser. Ora et Labora – Beten und Arbeiten: nach diesem Motto richten die Mönche ihr Leben aus. Um die Bezeichnung Trappistenbier führen zu können, muss ein Bier innerhalb der Klostermauern gebraut werden und ein Teil der Erträge muss in karitative Zwecke fliessen. Früher brauten die Mönche noch selber, heute wird das Bier in der Regel von nicht-geistlichen Angestellten gebraut, was auch mit dem Rückgang der Zahl der Mönche zu tun hat. Von insgesamt zehn arbeitet in Orval noch ein einziger in der Brauerei. Das Ergebnis können wir im Restaurant nahe dem Kloster probieren. Die Trappistenbiere sind oft dunkel, im Allgemeinen eher stark und intensiv im Geschmack. Zweifellos sind sie nicht jedermanns Sache, wir aber haben sie auf unserer Reise sehr schätzen gelernt.
Velofahren auf Bahntrasses
Von Orval fahren wir über die Grenze nach Frankreich ins malerische Städtchen Mouzon, von wo uns ein Veloweg der Maas entlang nach Norden durch die Ardennen führt. Landschaftlich sind die Ardennen ein Highlight dieser Tour. Die Maas schlängelt sich durch die steilen, waldigen Hügel ab und zu kommt man an einem kleinen, alten Dorf vorbei. Nach Givet erreichen wir wieder Belgien. Wir machen einen kurzen Ausflug zur kleinen Brauerei Caracole, die auf traditionelles Handwerk setzt und als einzige Belgiens mit Holz feuert, um den Maischbottich aufzuheizen. Anschliessend führt uns der Weg in westliche Richtung entlang einer ehemaligen Bahntrasse durch weite Wälder bis nach Chimay, wo uns die nächste Trappistenabtei erwartet. Das Velonetz in Belgien ist generell sehr gut, auch wenn es nicht immer einfach ist, sich zu orientieren.
Die Trappistenklöster scheuen die Öffentlichkeit. Besuche der Brauerei sind in der Regel nicht möglich. In Chimay macht man aber eine Ausnahme für uns. Chimay ist, was das Produktionsvolumen angeht, die grösste Trappistenbrauerei und exportiert auch viel ins Ausland. Wir sind beeindruckt von der hochmodernen Produktionsanlage. Nichtsdestotrotz haben die Mönche eine Philosophie der Bescheidenheit bewahrt. Die Produktionskapazität wird nicht voll ausgeschöpft, auf Abend- und Wochenendschichten wird bewusst verzichtet, um den Angestellten ein geregeltes Familienleben zu ermöglichen. Im Anschluss an die Führung werden wir zu einer Degustation eingeladen und kosten dabei auch ein ganz besonderes Bier: ein 15 Jahre (!) gelagertes Chimay Bleu. Über die Zeit hat sich das Bier entwickelt, und man erfährt eine regelrechte Geschmacksexplosion im Mund.
Unser Weg führt uns nun zunächst wieder durch Frankreich, durch den Parc naturel régional de l'Avesnois, und dann in den flämischen Teil Belgiens. Die Landschaft wird flacher und dichter besiedelt. Und noch etwas ist neu: der Wind. So haben wir noch etwas zusätzliche Anstrengung zu bewältigen, bis wir in Westvleteren im Nordwesten des Landes ankommen. Dafür erwartet uns hier eine spezielle Belohnung: Das Westvleteren 12 wurde von der Online-Plattform «Ratebeer» bereits mehrmals zum besten Bier der Welt gekürt. Trotz des Ruhms weigern sich die Mönche beharrlich, die Produktion zu erhöhen, wodurch es nicht ganz einfach ist, das Bier überhaupt zu bekommen. Um grössere Mengen zu kaufen, muss man sich vorher anmelden und das Bier abholen – und auch dann erhält man maximal eine Kiste pro Sorte. Für einen wohlverdienten Umtrunk nach einer anstrengenden Veloetappe ist der Aufwand kleiner: man bekommt das Bier im Restaurant unweit des Klosters.
Tradition und Hightech
Von Westvleteren aus fahren wir an die Küste. Wir radeln eine Weile dem Meer entlang. Die Aussicht ist sehr schön, wird aber durch die monströsen Wohnblöcke getrübt, die sich hier aneinanderreihen. in Oostende verlassen wir die Küste und fahren einem Kanal entlang nach Brügge. Die Stadt mit ihrem malerischen, von Grachten durchzogenen Zentrum ist ein weiteres Highlight auf unserer Tour.
Weiter geht es durch weite Felder mit einem Zwischenstopp in der Hafenstadt Antwerpen zur letzten Brauerei auf unsere Tour: jener von Westmalle. Auch hier gewährt man uns ausnahmsweise Einblick in die Brauerei. Und auch hier verbindet man Hightech mit trappistischer Bescheidenheit und Disziplin. Seit Jahrzehnten produziert Westmalle die gleichen drei Biere und achtet dabei strikt auf einen natürlichen, traditionellen Herstellungsprozess. Dass sich die Brauerei professionalisiert hat und laufend in die Modernisierung der Anlagen investiert, ist dabei kein Widerspruch. «Qualität ist in unserer DNA», sagt Marketingleiter Manu Pauwels. Dann verabschiedet er sich: Er macht am Nachmittag noch eine Velotour.
Auch für uns geht es weiter: Die letzte Etappe führt uns in die Hauptstadt Brüssel, von wo wir den Zug zurück in die Schweiz nehmen. Es bleiben uns viele schöne Erinnerungen und Eindrücke – und die Erkenntnis, dass sich harte Arbeit und Disziplin auszahlt. Das gilt fürs Bierbrauen wie fürs Velofahren.